Als Salzburgs David die Goliaths schlug

Wer Gerhard Strassers Berufsleben nicht kennt, würde beim Besuch des Pensionisten in seiner Salzburger Wohnung annehmen: Der freundliche ältere Herr war einmal Manager bei den Österreichischen Bundesbahnen. Oder Lokführer. Oder Fahrdienstleiter. Denn die Modelle historischer Lokomotiven im Maßstab 1:32 beherrschen nicht nur das Wohnzimmer, die »Werkstätte« ist auch in der Küche, die Schienenwelt draußen im Garten.

Doch der Eisenbahnfan Strasser, Jahrgang 1937, erlangte in einem ganz anderen Metier zumindest vorübergehende Berühmtheit. Er war Ende der 1960er und Anfang der 1970er-Jahre der Leiter der Rennabteilung von Porsche Salzburg in der Alpenstraße, dort, wo nach 1948 alles begann. Und er war mitverantwortlich für den ersten Gesamtsieg Porsches in den 24 Stunden von Le Mans. Das war im Juni 1970. Und es war der Zündfunke für eine Serie, die die Stuttgarter bis heute zum erfolgreichsten Hersteller in dem Klassiker machte. Übrigens, 2023 wird in Le Mans das 100-Jahr-Jubiläum gefeiert, und da soll Porsches jüngster Langstreckenbolide mit Code 963 bei den neuen LMDh-Prototypen den 20. Sieg für Zuffenhausen holen.

»Modelleisenbahnen haben mich von klein auf fasziniert«, erzählt Strasser. An die 50 Lokomotiven hat er bis jetzt selbst gebaut, Modelle von britischen, amerikanischen, heimischen Loks verschiedener Epochen. Im Realgymnasium war Schüler Strasser von Mathematik und besonders Physik fasziniert: »Da maturierte ich 1956 als einziger meiner Klasse.« Es folgten einige Semester Maschinenbau an der TU Wien, doch der Pendler brach das Studium aus privaten Gründen ab. Strasser wurde Betriebsleiter einer Werkstätte und eines Ford-Händlers in der Salzburger Moosstraße: »Wir reparierten Motoren von Fahrzeugen der Verkehrsbetriebe.« Zu Porsche kam er durch eine Bewerbung. Kunden-Außendienst, dann in der Sterneckstraße die Werkstätte konzipiert, bis 1968 ein Anruf von Ernst Piech kam: Die Übernahme der Sportabteilung wurde angeboten. Da brauchte der frühere Motorradrennfahrer Strasser (auf Norton forderte er Thalhammer, Auer, Bergold, Bahmer heraus und wurde 1968 Dritter der österreichischen 500-ccm-Staatsmeisterschaft) nicht lang überlegen.

»Das Büro war im Porschehof, die Werkstätte mit Pauli Schwarz in der Alpenstraße, wo die Rallye-Käfer und die Formel-V-Boliden vorbereitet wurden. Das war eine tolle Sache, aus dem Käfer-Motor bis zu 128 PS herauszuholen und standfest zu bleiben.« Nachdem die Idee des US-Amerikaners Hubert L. Brundage, aus Teilen der VW Käfer eine Einsteigerserie in den Monopostosport zu machen, nach Europa durchgedrungen war, duellierten sich heimische Konstrukteure in der neuen Formel V – Kurt Bergmann aus Wien und die Sportabteilung aus der Salzburger Alpenstraße unter Paul Schwarz, die 1966 von Ernst Piech mit dem Bau beauftragt worden war. Mit 34 PS hatte es begonnen, 1966 waren es rund 60. Da gelang schon der größte Triumph im Dezember 1966 bei einem als »Erdteilkampf« titulierten Rennen auf den Bahamas im Rahmen der Nassau Speed Week. USA gegen Europa brachte einen Dreifachsieg der Salzburger Austro V: Der Grazer Jochen Rindt vor dem St. Pöltner Günther Huber und dem Kitzbüheler Michael Walleczek, der in dieser Saison auch zahlreiche Bergrennen für die Salzburger Mannschaft gewann.

Die Formel-V-Erfolge adelten die Alpenstraße-Crew. »Es war dann der Wunsch des damaligen Porsche-Technikvorstands Ferdinand Piech, dass wir ein zweites Team neben der Werkmannschaft für die Sportwagen-WM und Le Mans aufbauten, denn es ging Porsche ja auch um den Marken-WM-Titel«, erinnert sich Strasser. Porsche ließ 1969 den neuen 917 debütieren, doch Le Mans wurde zum Desaster: in einem 917 verunglückte John Woolfe nach Fahrfehler in der ersten Runde tödlich, der zweite schied aus. Den ersten Sieg des »Monsters« holten Jo Siffert/Kurt Ahrens bei der Eröffnung des neuen Österreichrings im August nach. Porsche Salzburg jedoch hatte noch mit dem Vorgängermodell 908 Erfolg, als im Juli Jo Siffert und Brian Redman die 1000 Kilometer von Watkins Glen gewannen. Porsche wurde Marken-Weltmeister.

1970 bekam auch die kleine Salzburger Mannschaft den 917. Strasser erinnert sich: »Wir haben den Wagen rennfertig übernommen. Wir konnten die Fahrer selbst aussuchen. Es war mühevoll, Hans Herrmann zu bekommen, wir spannten ihn mit Richard Attwood zusammen. Da ging es um Schnelligkeit und Zuverlässigkeit.« In den ersten sechs der zehn Saisonrennen siegten die vom Briten John Wyer eingesetzten Werk-917 vier Mal: Pedro Rodriguez/Leo Kinnunen/Brian Redman in Daytona, Rodriguez/Kinnunen in Brands Hatch und Monza, Siffert/Redman in Spa. die beiden letzteren gewannen auch die Targa Florio, aber im älteren 908. Die erste große Stunde der Salzburger schlug am 31. Mai auf dem Nürburgring, als es einen Doppelsieg für die 908 von Vic Elford/Ahrens und Herrmann/Attwood gab. Dann kam der Höhepunkt Le Mans, in dem Porsche ein Jahr zuvor den ersten Gesamtsieg in einem Sekundendrama gegen den Ford GT40 von Jacky Ickx/Jackie Oliver verloren hatte. Das Rennen 1970 war auch der Hintergrund für Steve McQueens Filmepos »Le Mans«.